Völlig überraschend diskutiert die Bundesregierung einen Mindestlohn. Also einen Betrag, den ein Arbeitnehmer mindestens pro Stunde für seine Arbeit bekommen muss. Dabei werden Beträge ab 6,50 Euro pro Stunde diskutiert.
Bereits jetzt gibt es Mindestlöhne für einige Branchen. Für den Wach- und Sicherheitsdienst liegt der Mindestlohn bei 6,53 Euro in Ostdeutschland, in Westdeutschland bekommt er immerhin 8,60 Euro. Mehr als ein Westdeuscher Angestellter bei Wäschereidienstleistungen, der bekommt im Westen minimal 7,80 Euro, im Osten aber mehr, als der Wachmann: 6,75 Euro. What the…..???? Ich dachte immer, die Differenzen zwischen Osten und Westen lägen in insgesamt niedrigerem Lohn- und Preisniveau begründet. Aber wird im Osten dreckigere Wäsche gewaschen oder ist es da sicherer, dass das Verhältnis zwischen Wäschereidienstleistungen und Sicherheitspersonal sich plötzlich umdreht?
Noch dazu bleibt die Frage: was ist denn genau alles billiger im Osten? Mieten? Ok, vielleicht. Strom, Gas, Wasser, Telefon? Na, eher nicht! Lebensmittel? Höchstens die regionalen, lokalen, auf dem Bauernhof. Ich persönlich glaube ja nicht, dass die Lebensmittel im Supermarkt einer Kette im Osten weniger kosten, als im Westen. Aber ich lasse mich gerne eines besseren belehren.
Wie auch immer, 6,50 Euro mindestens also. Oder stapeln wir nicht ganz so tief, nehmen wir das Pflegepersonal. Das sind die, die uns etwas zu Essen bringen und den Hintern abwischen, wenn wir es nicht mehr können. Die, von denen wir uns erhoffen, dass sie nett zu uns sind, auf unsere Bedürfnisse eingehen, sich Zeit für uns nehmen, auch über die pure Pflichterfüllung hinaus. Mindestlohn: 7,50 Euro pro Stunde. Das macht bei 40 Stunden pro Woche, 4 Wochen pro Monat etwa 1200 Euro brutto. Oder so ungefähr 900 Euro netto. 900 Euro. Im Monat! Davon gehen dann Miete, Strom, Heizung, Telefon, Lebensmittel und Kleidung ab. 900 Euro, das ist weniger, als man im Monat behalten darf, wenn man Insolvenz anmeldet, das sind nämlich ziemlich genau 1000 Euro. 900 Euro sind auch unterhalb des Pfändungsfreibetrags bei Lohnpfändungen, der liegt knapp über 1000 Euro. Es ist also unter dem Betrag, wo man einem noch was wegnehmen darf. Dafür möchten wir liebevoll und aufmerksam gepflegt werden? Ich habe ja Zweifel, dass das klappen wird…
Aber was kann man tun, gegen solche Dumping-Preise beim Lohn? Die Wahl ist ja häufig: entweder arbeiten, und so gut wie nix dabei verdienen. Oder nicht arbeiten und Hartz4 bekommen. Hartz4 benötigt man möglicherweise auch, wenn man ganztags zum Mindestlohn arbeitet, spätestens dann nämlich, wenn noch eine weitere Person, ein Kind etwa, mit davon leben muss. Wo bleibt da die Würde des Arbeitnehmers?
Das perfidestes daran ist aber, dass es so schwierig ist, offen dagegen zu protestieren, wenn man erstmal in der Situation ist, dass man solche Jobs angeboten bekommt. Wer auf Hartz4 angewiesen ist, kann nicht mal eben sagen „für die paar Kröten arbeite ich nicht, das ist menschenunwürdig!“ Also, sagen kann er es natürlich, die Frage ist nur, wie häufig er es tut, denn wer einen angebotenen Job ablehnt, riskiert seine Hartz4-Bezüge. Wer eine solche Arbeit annimmt, leistet dafür dem Lohndumping Vorschub. Da wird die Wahl schwer, seien wir ehrlich, entweder nimmt man dann zähneknirschend den Job an, oder man windet sich mit einem Trick raus. Möglichkeiten, einen Job nicht zu bekommen, gibt es genug. Mehrfaches Nachfragen, wie das mit dem Personalrat geregelt ist, und das Überstunden doch wohl nicht anfallen, hilft beim Vorstellungsgespräch häufig, wenn man den Job nicht will. Aber kann es das wirklich sein? Kann es wahr sein, dass die Bürger in einer Demokratie sich nicht offen dagegen wehren können, ausgebeutet zu werden, weil ihnen dann die Lebensgrundlage entzogen wird? Breche ich ein Gesetz, wenn ich einen Job ablehne, weil das Gehalt zu niedrig ist? Wohl nicht. Bestraft werden kann ich aber trotzdem. Spannend ist die Frage, was passieren würde, wenn ich meinem potentiellen Arbeitgeber sage, dass ich selbstverständlich den Job antreten werde, aber bei jeder sich bietenden Gelegenheit sagen werde, dass ich mich ausgebeutet fühle.