In meinem Schrank wartet ein oranger Fleece-Schal mit Piraten-Logo auf seinen nächsten Einsatz. Getragen habe ich ihm bei einem Wahlkampf, der mir noch lange im Gedächtnis bleiben wird: der Wahlkampf zur Landtagswahl 2013 war ein Winterwahlkampf mit allem, was dazu gehört. Wer dabei war, wird sich sicherlich daran erinnern, wie es war bei Infoständen bei Minusgraden zu frieren, während die vorbei eilenden Menschen nur auf der Suche nach Weihnachtsgeschenken und einem warmen Ort zum Aufwärmen waren, aber nicht nach politischen Informationen. Einige Stände konnten wir auf Grund starken Schneefalls gar nicht erst aufbauen, andere Aktionen haben wir nach wenigen Stunden abgebrochen: durchgefroren, weiß wie die Schneemänner und frustriert. Plakatieren fand fast ausschließlich im Dunkeln statt, mit steif gefrorenen Händen. Meine Hochachtung und mein Dank deshalb an Alle, die diese Zeit so tapfer mit uns durchgestanden haben, die teilweise von weit her angereist kamen, um mit uns zu frieren und zu kämpfen, oder die Familie und Freunde vernachlässigt haben, um an kalten Infoständen nasse Flyer zu verteilen.
Dann kam der Tag der Wahrheit, die Landtagswahl, der Tag, an dem sich alle unsere Bemühungen auszahlen sollten. Es war eine herbe Enttäuschung, dass das nicht geklappt hat: Einzug in den Landtag verpasst, und nicht einmal knapp, sondern haushoch. Auch in der Folge führten sinkende Umfragewerte, gegenseitige Schuldzuweisungen und interner Zoff dazu, dass die Motivation immer weiter gesunken ist. Die Luft ist bei vielen einfach raus, nicht nur in Hannover, wo wir uns fragen, wo unsere ganzen tollen Aktiven geblieben sind, sondern in ganz Niedersachsen ist es schwierig, Piraten dazu zu bringen, sich wieder zu engagieren.
Dabei sind die Voraussetzungen gerade perfekt: es ist nicht nur Sommer, es ist warm und sonnig, die Menschen sind gut drauf, wir haben auch eine neue politische Gechäftsführerin, die uns grandios in den Medien vertritt und die Themen, unsere Themen, unsere Kernthemen fliegen uns nur so zu: PRISM und die Internetüberwachung sind nur zwei Schlagwörter. Gerade vor wenigen Minuten hat Kanzlerin Merkel das Internet zu „Neuland“ erklärt, also etwas Neuem, Unerforschtem, potentiell Gefährlichem, dass es zu kontrollieren gilt und rechtfertigt damit Überwachungsprogramme wie PRISM oder die Vorratsdatenspeicherung. Ganz Deutschland hat Ihr dabei zugehört, bei Ihrer Rede anlässlich des Besuchs des amerikanischen Präsidenten. An uns liegt es jetzt, diese Vorlagen aufzugreifen und den Menschen um uns herum zu erklären, warum das eine Gefahr für uns alle und für unsere Demokratie ist. Wir können mit Themen punkten, die wir wie keine andere Partei in Deutschland vertreten. Sie werden uns frei Haus geliefert, sie sind bereits in den Medien, wir müssen sie nur noch aufnehmen.
Dieser Sommer gehört uns, er meint es gut mit uns. Wir können ihn nutzen und das Beste daran: wir können es auf angenehme Art tun: in der Sonne, draußen, da wo jetzt alle gern hingehen, wo auch wir gern unsere Zeit verbringen bei diesem Wetter. Lasst uns an die Badeseen gehen und neben Handtuch und Sonnenmilch auch eine Piraten-Flagge und einen Satz Flyer einstecken. Lasst uns in entspannter Atmosphäre darüber reden, was hier schief geht, und wie wir es besser machen können.
In Hannover ist am Wochenende Fest der Kulturen. Da ist immer tolle Stimmung, nette Leute – und wir sind mittendrin, mit einem Infostand und guter Laune. Besser kann ein Wahlkampf nicht liegen, sowohl thematisch als auch zeitlich. Lasst uns die Mittwochs-Idee von Chris aufgreifen, einfach treffen, zusammen sitzen und über Politik reden – nicht nur miteinander, sondern mit allen Menschen. Also, sehen wir uns nächsten Mittwoch? Oder dieses Wochenende? Mein Schal darf dabei noch im Schrank bleiben, jetzt reicht ein oranges Shirt!