In Hannover fand heute der Hannover Marathon statt. Ich stand eine Zeit lang am Rand der Strecke, habe zugeschaut, ein paar Fotos gemacht und Zeit gehabt meinen Gedanken hinterher zu hängen. Über Gemeinschaftsgefühl und den gemeinsamen Wunsch, ein Ziel erreichen zu wollen, zum Beispiel. Beides war auch für Zuschauer am Rand des Marathon deutlich spürbar.
Der kommissarische Bundesvorstand der Piratenpartei beschließt inzwischen, keine öffentlichen Sitzungen mehr abzuhalten. Kurz durchzuckte mich beim Lesen dieses Beschlusses Empörung: „Wie können die nur???“ Diese Empfindung machte schnell Platz für ein anderes Gefühl: Scham. Da sind Menschen, die von uns vor gar nicht allzu langer Zeit gewählt wurden, um als Bundesvorstand die Piratenpartei durch das Jahr 2014 zu begleiten. Eben diese Menschen trauen sich jetzt nicht mehr, ihre Sitzungen öffentlich abzuhalten. Weil sie von Parteimitgliedern beleidigt und bedroht werden.
Bundesvorstand sein ist nicht immer schön und lustig. Wer auf Ruhm und Ehre hofft, wird sie nicht in einem Vorstandsamt bei den Piraten finden. Das war hoffentlich auch den noch verbliebenen Resten des Ende letzten Jahres gewählten Bundesvorstands klar. Für ehrenamtliches Engagement jedoch so massiv angegangen zu werden, dass die Angst überwiegt, ist nicht zu rechtfertigen.
Ich bin bei weitem nicht mit allem einverstanden, was der kommissarische BuVo beschlossen hat. Ich bin auch weit davon entfernt, den Mitgliedern des BuVo einen Freifahrtschein auszustellen. Konstruktive Kritik muss genauso möglich sein, wie selbst Mittel zu ergreifen, wenn wir das Gefühl haben, das etwas gewaltig schief läuft. Die Satzung gibt uns dafür Mittel an die Hand. Anträge an den Vorstand und Schiedsgerichtsverfahren gehören dazu. Persönliche Angriffe (auch verbal) dagegen nicht. Ich möchte auch nicht Mitglied in einer Partei sein, in der respektvoller Umgang mit anderen Mitgliedern ein Fremdwort ist.
Für die Piraten würde ich mir genau das wünschen, was ich heute beim Marathon gesehen habe: Zusammenhalt beim Streben nach einem gemeinsamen Ziel. In ganz vielen Bereichen haben wir untereinander wenig Berührungspunkte. Wir leben ganz unterschiedliche Leben, haben verschiedene Interessen. Lediglich die Piratenpartei vereint uns. Es ist in Ordnung, dass wir nicht überall einer Meinung sind. Das müssen wir nicht, wir müssen nur eine Linie finden können.
Eigentlich ist es die Politik, die uns zusammen halten sollte. Im Moment geht es in der Piratenpartei aber nicht um Politik. Es geht nur um uns. Wir bewegen nichts, weil wir gar nicht die Kapazitäten haben, etwas anzugehen, weil wir alle Ressourcen damit verschleißen, uns gegenseitig aufzureiben.
Ich mag nicht mehr, nicht so. Wenn ich in diesem Blog über die Piraten schreibe, dann will ich über Politik schreiben, darüber, was wir ändern können, wollen und müssen. Über die politische Stimmung will ich schreiben, nicht über Befindlichkeiten und Befindlichkeitsstörungen, die selbstzerstörerische Ausmaße annehmen.
Es ist höchste Zeit, dass wir uns wieder darauf besinnen, wo wir hin wollen. Höchste Zeit, dass wir uns wieder den wichtigen Aufgaben widmen, statt uns selbst zu zerfleischen. Allerhöchste Zeit, dass wir leben, was wir im Parteiprogramm fordern: Respekt vor allen Menschen.
…schöner Blogpost – aber eine kleine Anregung: Wenn Du über Respekt schreibst und auch darüber, dass der bei den Piraten fehlt, schreibst Du über Politik. Wenn das Problem gelöst wäre, dass Menschen einander mit Respekt begegnen, gäbe es keine weiteren Probleme auf dieser Welt…dann würde es sogar mit der Anarchie funktionieren – genauer, darauf fußt deren Grundgedanke: Liebe Deinen nächsten, wie Dich selbst! Und schon hast Du sogar Anarchisten und Christen in einem Boot. Also schreibe weiter über Respekt, alles andere ist nebensächlich!
Nicht einer Meinung zu sein mit jemandem ist ja ok und auch gut. Aber Drohungen und verbalen Entgleisungen gehen ja mal garnicht.