Mein Schulweg führte direkt an der großen Hauptpost am Bahnhof vorbei. Im Winter, wenn es sehr kalt war, bin ich manchmal rein gegangen und habe mich etwas aufgewärmt, vorne, im vorderen Raum, wo die Telefonzellen waren. Ja, so war das noch in den 80er Jahren: es gab in der Post einen eigenen, großen Raum, in dem mehrere Telefonzellen nebeneinander standen. Davor gab es einen Bereich mit Stühlen, auf denen man auf eine freie Zelle warten konnte. Und dazwischen stand die wohl umfangreichste Datenbank mit Daten Einwohnern Deutschlands, die verfügbar war: ein großer Tisch, an dem in Hängevorrichtungen alle Telefonbücher Deutschlands verfügbar waren. Man konnte so mit einem Griff die Telefonnummern der Bewohner Kölns aufschlagen. Oder Hamburgs. Oder Stuttgarts. Oder Detmolds. An dieser Stelle waren sie alle gesammelt. Teilweise sogar mit vollständigen Adressen!
Auch zu Hause gehörte das Telefonbuch zu den wichtigsten Büchern im Haus. Nur mit dem aktuellsten Telefonbuch konnte man einigermaßen sicher sein, die aktuelle Telefonnummer des gewünschten Gesprächspartners auch finden zu können. Außer natürlich sie stand sowieso in dem handgeschriebenen Büchlein, in dem Adressen und Telefonnummern enger Bekannter und häufiger Gesprächspartner wie Vermieter und Ärzte notiert wurden.
In dem Gebäude ist schon lange keine Post mehr und lange Reihen von Telefonzellen gibt es ohnehin nicht mehr. Warten auf schäbigen Stühlen in mäßig beheizten Postvorräumen, dabei in den Telefonbüchern blättern und darüber sinnieren, was für ein Leben Hugo Popelmann aus Neustadt an der Waldnaab, dessen Namen man soeben durch zufälliges Aufschlagen eines beliebigen Telefonbuchs auf dem großen Telefonbuchtisch gefunden hat, wohl so führt? Vorbei. Man greift in die Jackentasche zum Handy. Suchen im Telefonbuch oder der eigenen Kladde nach der richtigen Nummer? Wozu, sie ist ohnehin im Telefon gespeichert und wenn nicht, dann findet man sie im Internet. Das Telefonbuch geht mit der Zeit, statt dicker Wälzer ist es jetzt so handlich, dass es sogar auf das Handy passt. Mit wenigen Klicks finde ich sie wieder, die Nummer von Hugo…
Nur manchmal, wenn ich das Handy zu Hause vergessen habe und abgeschnitten von der normalen Kommunikation auf einer Straße stehen, auf der Suche nach der Wohnung von Hugo, dessen Adresse ich mir nicht gemerkt habe, weil sie ja sowieso im Handy steht, da wünsche ich mir dann doch wieder eine Post. Mit Telefonzellen. Und dicken Telefonbüchern, in denen die richtige Nummer zu finden ist.